Warum das Krabbeln für dein Baby so wichtig ist - Interview
Im Interview mit Physiotherapeutin Nadin Worms über das Krabbeln
Physiotherapeutin Nadin Worms erklärt im Interview, warum das Krabbeln für Babys so wichtig ist und wie du es unterstützen kannst. In der Ergotherapie bekommen wir von Eltern ganz oft die Frage gestellt, warum die Babys denn überhaupt krabbeln sollen. Es wäre doch eigentlich viel praktischer, wenn die Kinder gleich laufen lernen oder schon sitzen können. „Warum ist das Krabbeln denn so wichtig?“ Um diese Frage zu beantworten, habe ich mir Nadin Worms zum Interview eingeladen. Nadin ist Physiotherapeutin und Säuglingstherapeutin nach dem IntraActPlus Konzept und arbeitet schon seit 23 Jahren als Physiotherapeutin.
Julia: Nadin, so schön, dass du mit uns ein bisschen schnackst zum Thema Krabbeln. Ich finde das ja ein sehr, sehr wichtiges Thema und würde natürlich auch gerne mal deinen physiotherapeutischen Blick hören, was du dazu zu sagen hast. Erzähl mal: Warum ist denn das Krabbeln aus physiotherapeutischer Sicht so wichtig?
Nadin: Ja. Hallo, liebe Julia, das mache ich natürlich sehr gerne. Vielen Dank, dass du mich eingeladen hast.
Das Krabbeln ist deshalb so wichtig, weil das die wichtigste motorische Entwicklungsphase im ersten Lebensjahr ist.
Das Krabbeln ist deshalb so wichtig, weil das die wichtigste motorische Entwicklungsphase im ersten Lebensjahr ist und die beiden Hirnhälften sehr gut miteinander verknüpft und koordiniert werden. Die Kinder kommen zu dem Zeitpunkt endlich in die Fortbewegung, also in die schnelle Fortbewegung und können den Raum auf einer ganz anderen Ebene erkunden, als durchs Robben. Die Sinne können sich weiterentwickeln und natürlich auch die Koordination, die Hände, die Augen, alles wird gefördert. Also Krabbeln auszulassen ist ehr ungünstig.
Julia: Da fällt mir gleich ein Beispiel aus meinem Alltag ein: Wenn ich mir vorstelle, wenn ich beim Sport im Vierfüßlerstand stehe oder sogar im Herabschauenden Hund, da merke ich sofort wie anstrengend das ist, weil da echte Muskelarbeit gefragt ist. Schon allein für die Schultern, oder? Ich meine schon alleine, was die Schultern und die Hände eigentlich leisten müssen beim Krabbeln, ist doch enorm. Das lassen Babys ja komplett aus, wenn sie sofort ins Laufen übergehen, oder?
Nadin: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Weil wenn die Kinder nicht krabbeln, dann sind sie auch meistens nicht gut im Handstütz. Der Handstütz ist ja die Vorstufe an Muskeltraining für den Schultergürtelbereich und für das Hochstützen. Auch für die optische Orientierung im Raum. Und von daher – ja das ist richtig harte Muskelarbeit, die dort geleistet wird.
Krabbeln ist also sowohl für die Muskeln superwichtig und die Rumpfstabilität, aber eben auch für die Koordination.
Krabbeln ist also sowohl für die Muskeln superwichtig und die Rumpfstabilität, aber eben auch für die Koordination. Weil du halt rechter Arm, linkes Bein, du hast halt dieses Kreuz koordinierte, was ja dann in der weiteren Entwicklung erst viel später dann wieder mit dem physiologischen Armpendel kommt. Das heißt, da passiert echt wahnsinnig viel an Entwicklung und auch synaptische Verknüpfungen im Gehirn. Und ja, das ist ein echtes Geschenk für die Kinder, wenn sie krabbeln können. Das auch wochen- bis monatelang zu verfeinern, optimieren, auszuprobieren ist eine tolle Sache und sollte jedes Kind auf jeden Fall auch ausprobieren und erleben dürfen.
Julia: Ja, vor allem, wenn man sich das so in der motorischen Entwicklung anschaut. Zu Beginn sind die Babys mehr auf einer Seite unterwegs. Also entweder sie machen was auf der rechten Seite oder auf der linken Seite ihres Körpers, zum Beispiel etwas greifen. Dann entwickelt es sich immer weiter zur Körpermitte. Und krabbeln ist dann eigentlich, wie du es eben auch schon gesagt hast, der nächste Schritt Richtng Laufen, denn durch das Krabbeln kommt das erste Kreuzkoordinative dazu, was ja dann, wie du es eben gesagt hast, auch später für das Laufen ein ganz typisches Muster ist. Das machen wir automatisch, d.h. das steuern wir nicht bewusst an, weil wir es vorher so oft geübt haben und alle Muskeln schon trainiert sind.
Das passiert einfach so und im Prinzip könnte man sagen, das ist so ein Stück auch eine Vorstufe davon. Also dass unser Körper im Prinzip das erste Mal eine Asymmetrie im Körper erlebt, in dem Moment beim Krabbeln.
Nadin: Ja, auf jeden Fall. Also die Kreuzkoordination ist sehr wichtig und auch das Reifen, das Verknüpfen beider Hirnhälften durch das Körpermittelliniekreuzen ist einfach irre wichtig. Und man sollte auch über die motorischen Fähigkeiten hinausdenken und z.B. auch die Augen trainieren. Und das geht bis hin, dass die Kinder später gut schreiben können. D.h. da sind so viele Faktoren, die positiv beeinflusst werden durchs Krabbeln, dass es gut ist, dass wir darüber reden um den Fokus der Eltern ein bisschen darauf zu lenken.
Nicht nur die Schultermuskulatur und der Schultergürtel werden beim Krabbeln trainiert
Julia: Ja, also ich finde gerade auch noch mal die Frage spannend „Warum ist das so wichtig?“ bzw. „Was wird dabei gefördert?“. Wir hatten es eben schon gesagt: Schultermuskulatur und Schultergürtel wird beim Krabbeln trainiert und ich denke dann immer schon ein paar Jährchen weiter. Also wenn die Kinder dann in die Schule kommen. Da wird es nämlich noch mal besonders wichtig. Natürlich auch schon vorher im Kita-Alltag. Denn durch das Krabbeln, kann ich in den Schultern eine gute Muskulatur aufbauen und bin dadurch natürlich auch viel sicherer beim Klettern zum Beispiel. Aber auch bei den feinmotorischen Aufgaben spielt eine gute Muskulatur eine wichtige Rolle. Denn natürlich sind auch in den Finger kleine Muskeln drin. Die müssen ja auch trainiert UND angesteuert werden. Ich erkläre das den Eltern immer so: wenn ich in den Schulter noch nicht mal Muskulatur aufgebaut habe, wie soll ich denn dann in meinen kleinsten Gelenken dahinten Muskulatur aufbauen geschweige denn ansteuern?
Und da sehe ich es auch immer noch mal so als wichtigen Schritt. Also ich kann den nicht überspringen und ich sollte eben auch die die Schulter-Muskulatur gut stärken, damit hinten raus die kleinen Fingerchen da auch Muskelspannung aufbauen aufbauen können.
Durch das Krabbeln wird auch Muskulatur aufgebaut, die später in der Schule wichtig ist.
Und von daher wird durch das Krabbeln ja auch Muskulatur gefördert, die später ind er Schule wichtig ist, um beispielsweise den Stift halten zu können und ansteuern zu können. Das finde ich immer noch mal ganz wichtig und auch häufig für Eltern noch mal so ein Aha-Moment: „Ah ja, okay, für später in der Schule brauchen wir das also auch.“ Und ich finde auch noch mal den einen wichtigen Aspekt beim Krabbeln, wenn ich so überlege, wenn die Babys krabbeln, dann schauen sie ja auch ganz viel zu ihren Händen. Also ist die Förderung der Auge-Hand-Koordination auch mit dabei. Also guckt das Baby erst einmal beim Krabbeln immer wieder den Händen hinterher. Eine erste Anbahnung, die ja auch nicht unrelevant ist, wenn die Kinder in die Schule kommen.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Krabbeln enorm wichtig ist für die Auge-Hand-Koordination.
Nadin: Ja, also das ist definitiv der Fall. Und auch wissenschaftlich erwiesen, dass das Krabbeln so enorm wichtig ist für die Auge-Hand-Koordination, weil zum einen wird geguckt, wo geht der nächste Schritt mit meiner Hand hin und zum anderen wird sich auch im Raum orientiert mit dem Blick und dieses gesamte mit dem Auge erfassen können und die Hand zu koordinieren.
Und da reden wir immer auch von einer voll entfalteten Hand. Das heißt, die Kinder sollten auf jeden Fall halt mit einer geöffneten Hand krabbeln, die Finger müssen locker gestreckt sein. Da sind so viele Kleinigkeiten, auf die auch noch mal geguckt werden sollte, dass das Krabbeln ein reifes Krabbeln ist, ein qualitativ gutes Krabbeln. Und wenn es da noch nicht ist, dann muss man auch noch keine Sorge oder Angst haben. Aber es ist immer gut, das zu beobachten. Und aus einem unreifen Krabbeln kann im Laufe der Woche auch noch das reife Krabbeln werden, also dass sich die Hand noch weiter entfaltet, öffnet. Und ja, du hast Recht – es ist, wie du es gesagt hast: Es zieht sich wie ein roter Faden bis in die Schulzeit natürlich hinein, bzw. sogar auch bis ins Erwachsenenleben. Ich habe häufig natürlich nicht nur Kinder, Jugendliche, sondern auch Erwachsene mit ihrem Problem und Halte- und Aufrichtungsmängeln und die resultieren häufig aus schon kleinen Problemen, die im Säuglingsalter gewesen sind.
Julia: Ab wann würdest du sagen entwickelt sich das Krabbeln? Hast du da so einen Zeitraum, den du Eltern mitgibst und sagst ja, zwischen dem x ten Lebensmonat und y ersten Lebensmonat sollte das Krabbeln aufkommen?
Wenn ein Baby sprachlich super fit ist, dann ist die Motorik manchmal ein bisschen langsamer, sodass das Krabbeln später einsetzt.
Nadin: Ja, also auf Fall zwischen dem achten und dem zehnte Lebensmonat. Nach neuesten Studien, die natürlich auch nur die alten Studien am Ende belegen, ist das Durchschnittsalter acht 1/2 Monate. Aber da bin ich sowieso ein Freund von, dass man sich jetzt nicht auf die Woche festbeißen muss. Wenn ein Kind erst mit zehn oder elf Monaten krabbelt, ist es auch total okay, weil man es ein bisschen ganzheitlich betrachten sollte. Wenn ein Kind halt sprachlich super fit ist, dann ist die Motorik manchmal ein bisschen langsamer. Oder wenn die Kinder dann in dem achten und neunten Monat gerade einen riesengroßen Schritt in der Sprache machen, machen sie den natürlich nicht automatisch auch in der motorischen Entwicklung, sondern der Körper kann sich immer nur auf.
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